Was wird sein? – Gedanken zur Architektur der Zukunft

Architekturforum Zürich, Gruppenausstellung. 2008

ORGANISATION
Architekturforum Zürich

BESCHREIBUNG
Werkschau International
05.06.2008 – 19.07.2008

Die Ausstellung zeigt Einblicke in die Arbeitswelten heute junger Architektinnen und Architekten. Sie ist eine lustvolle Sammlung hochfliegender und auch bodenständiger Projekte. Die vielfältigen Statements zu den Fragen nach Themen, Arbeitsweisen, Selbstverständnis und Inspiration führen in individuelle Gedankenwelten. Die Ausstellung will keine These stützen, sie will viel mehr ein differenziertes Bild einer jungen, deutschsprachigen Architekturszene zeichnen, Überraschungen bieten und zugleich Neugierde wecken.

Für diese Annäherung an die Zukunft wurden zwölf junge Architekturbüros aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eingeladen, die bei ihrer Arbeit den vorausschauenden Blick wagen. Die Büros präsentieren sich mit eigenen Bauten oder Projekten.

Ausstellungsteilnehmer:
– Alles wird gut, Wien
– Raumlos, Wien
– Rahm Architekten, Wien
– Caramel, Wien
– Fawad Kazi, Zürich
– Darlington Meier, Zürich
– Küpfer Schneider, Zürich
– Frei Saarinen, Zürich
– Raphael Zuber, Chur
– Raumtaktik, Berlin
– Robertneun, Berlin
– Baubotanik, Stuttgart

Podiumsdiskussion «Generationen im Gespräch»
02.07.2008

Die Abendveranstaltung begleitet die Ausstellung «Was wird sein?» – Gedanken zur Architektur der Zukunft. Der Fokus der Ausstellung liegt in einem vorausschauenden Blick heute junger Architektinnen und Architekten. Im einleitenden Essay René Furers in der Publikation zur Ausstellung öffnet sich bereits ein weiter Horizont, der die Ausstellung vor dem Hintergrund langjähriger Erfahrung und mitgestalteter Zeit ergänzt. Diese wechselseitige Anschauung der Generationen soll anlässlich eines Gesprächs vertieft werden.

Den «Blick zurück in die Zukunft» sollen erfahrene Architektinnen und Architekten werfen. Das Feld der jungen Ausstellungsteilnehmer wird zu einer Gesprächsrunde unterschiedlicher Generationen erweitert. Deren Protagonisten sollen der Frage nachgehen, was die einzelnen Generationen voneinander wissen: Besteht ein Interesse an den unterschiedlichen Positionen? Welche Berührungspunkte, Parallelen, eventuell sogar Kontinuitäten lassen sich über die einzelnen Generationen ausmachen? Welche Themen waren damals und sind heute aktuell? Haben sie sich überhaupt verändert?

Podiumsteilnehmer:
– Dolf Schnebli, SAM Architekten und Partner, Zürich
– Astrid Staufer, Staufer & Hasler Architekten, Frauenfeld
– Bruno Krucker, von Ballmoos Krucker Architekten, Zürich
– Fawad Kazi, Fawad Kazi Architekt, Zürich
– Stephan Meier, Darlington Meier Architekten, Zürich
(Architekturforum Zürich)

BEITRAG
Wettbewerbsprojekt ETH Zürich – Gebäude LEE, Areal Zentrum, Oberer Leonhard, Neubau für Forschung und Lehre, 2007-2008, 1. Preis

Für diese Ausstellung wurde eine Auswahl von 234 Skizzen, die im Rahmen der Erarbeitung des Wettbewerbprojekts entstanden sind, gescannt, verkleinert und auf einem Plakat im Format 60cm x 240cm chronologisch gereiht. Ergänzt wurde der Beitrag durch das Situationsmodell der Wettbewerbsabgabe.

GRAFIK
Architekturforum Zürich

PUBLIKATION
Was wird sein? – Gedanken zur Architektur der Zukunft, Ausstellungskatalog, Hg. Architekturforum Zürich, 2008, S. 67-72

LINK
Architekturforum Zürich

«Da der Architekt die Welt baulich prägt, trägt dieser gegenüber der Gesellschaft eine dementsprechende Verantwortung. Seine Bauten sind Zeitzeugen und Vermächtnis zugleich.»
– Fawad Kazi

FRAGENKATALOG

ARBEITSWEISE
Wie ist Euer Büro zusammengesetzt? Habt Ihr eine klassische Bürostruktur mit Inhabern und Angestellten, die je nach Aufgabe feste Projektteams bilden, eventuell ergänzt durch Spezialisten? Oder arbeitet Ihr in wechselnden Konstellationen mit externen Büros, auch unter verschiedenen Namen?

Bis vor kurzem habe ich mein Architekturbüro als Einzelfirma ohne Angestellte geführt. Die Projekte sind dabei allein oder in Kooperation mit anderen Architekten entstanden. Der Gewinn des Wettbewerbs für den Neubau LEE der ETH Zürich, Ende des letzten Jahres, führt gegenwärtig eine Vergrösserung meines Büros mit sich. Aufgrund meiner persönlichen Erfahrung als Mitarbeiter in anderen Büros, strebe ich dabei eine klar gegliederte Bürostruktur an.

Ab einer bestimmten Komplexität ist der Zuzug von Spezialisten für die Bearbeitung von Projekten selbstverständlich. Im Falle des Neubaus LEE ist ein grösseres Team von Fachspezialisten an der Planung beteiligt. Dabei gilt es, das Projekt weiterhin ganzheitlich zu betrachten und zu bearbeiten.

Die projektbezogene Zusammenarbeit mit anderen Büros möchte ich in Zukunft fortsetzen. Da sich mein Tätigkeitsfeld nicht auf die Schweiz beschränkt, schliesst dieser Gedanke insbesondere ausländische Architekturbüros mit ein.

Wie entsteht ein Projekt? Welche Mittel werden wann, wie eingesetzt? Existiert ein eingespielter Arbeitsprozess, eine eigentliche Entwurfsmethode? Wie sieht die aus?

Ausgangspunkt meiner architektonischen Auseinandersetzung ist der Ort. Jeder Ort besteht bereits. Insofern bedeutet jedes Bauvorhaben das Weiterbauen eines Ortes, unter Berücksichtigung der den Ort bestimmenden und charakterisierenden Parametern. Damit verbunden ist die Frage nach dem Baukörper an sich. Dieser ist das Resultat eines morphologischen Prozesses, welcher die projektrelevanten Faktoren – nebst dem Ort sind dies hauptsächlich das Programm, die Konstruktion und das Material – zum Ausdruck bringt. Je nach Aufgabenstellung tragen diese Faktoren dabei in unterschiedlicher Intensität zur Gestaltfindung des Baukörpers bei.

Der Entwurfsprozess beginnt gedanklich und wird anschliessend in verdichteter Form, anhand von Skizzen und Studien, fortgesetzt. Dabei werden die Rahmenbedingungen über längere Zeit analysiert, gleichzeitig aber immer wieder hinterfragt. Ergänzend wird ein Katalog von Referenzen erstellt, welche in einem Bedeutungszusammenhang zum Projekt stehen und somit in den Entwurfsprozess miteinfliessen können. Nach Möglichkeit suche ich den Bauplatz mehrmals auf und versuche diesen zu verinnerlichen. Mittels Modellen und CAD wird der Bearbeitungsprozess nochmals verdichtet, wobei die aufgeführten Mittel meist parallel eingesetzt, je nach Projekt jedoch unterschiedlich gewichtet werden. Eine Konstante bilden die zahlreichen, über den gesamten Entwurfsprozess hinweg entstehenden Skizzen. Der beschriebene Prozess ist nicht zwingend linear, sondern eher iterativ.

Um die eigene Arbeit zu reflektieren, stelle ich diese befreundeten Kollegen im Rahmen von Workshops gelegentlich zur Debatte. Der dabei geführte Dialog erfordert eine präzise Beschreibung des vorangegangenen Weges, ermöglicht gleichzeitig diesen zu hinterfragen und letztendlich das weitere Vorgehen zu formulieren. Im Rahmen des Projektes für die ETH besteht die Absicht, diesen Dialog zu institutionalisieren.

THEMEN
Welches sind Themen, die Euch beschäftigen? Welche werden in Zukunft aktuell werden, architekturinhärente und externe Themen? Mit welchen möchtet Ihr Euch in Zukunft auseinandersetzen?

In meiner bisherigen Arbeit hat sich ein starkes Interesse an meist öffentlichen Bauaufgaben im städtischen Kontext herausgebildet. Dabei erzeugen die entsprechenden Programme in Relation zur Stadt einen hohen Grad an herausfordernder Komplexität. Das Projekt für den Neubau LEE hat dabei für mich exemplarischen Charakter.

Ergänzend zur Beschäftigung mit der Stadt sehe ich die Peripherie als weiteres Betätigungsfeld, welchem ich mich zukünftig verstärkt widmen möchte. Dazu gehören insbesondere grossmassstäbliche, städteplanerische Aufgaben. Im Rahmen einer mehrmonatigen Studienreise habe ich beispielsweise den Umgang mit der Landflucht anhand von behördlich geplanten Satellitenstädten in Kairo und illegal entstehenden Stadterweiterungen in Istanbul vergleichend untersucht. In diesem Zusammenhang sehe ich die Möglichkeit und das Interesse, einen Beitrag leisten zu können.

Des Weiteren bin ich stark an der Klassifizierung von Typologien interessiert. Eine diesbezügliche Differenzierung eigentlicher Grundtypen unterstützt dabei einerseits mein analytisches Verständnis für einen Ort, anderseits ermöglicht diese Differenzierung ansatzweise einen methodischen Entwurfsprozess.

In meiner beruflichen Tätigkeit hat sich ein direkter Umgang mit der Architekturgeschichte etabliert. Dabei entlehne ich dieser, was ich in adaptierter und transformierter Form für meine Projekte benötige. Insofern glaube ich an eine Kontinuität innerhalb der Architektur und sehe meine Arbeit als Bestandteil davon. So diente zum Beispiel für die sich derzeit im Bau befindende Schulhauserweiterung in Bozen Jorn Utzons Umgang mit Sockel und Terrain als Referenz.

Dieses phänomenologische und zugleich referenzielle Architekturverständnis ist stark geprägt durch meine Studienzeit bei Hans Kollhoff an der ETH Zürich.

Welche neuen Herausforderungen werden hinzukommen? Wo gibt es Berührungspunkte zu Eurer Arbeit?

Ich denke, dass zukünftig vermehrt der Aspekt der Ressourcenschonung sowie im Zuge der derzeitigen globalen Bautätigkeit, die Frage nach Identität und Eigenständigkeit die Architektur prägen wird. Im Rahmen des Projektes für die ETH ist ein entsprechender Umgang mit Ressourcen elementarer Projektbestandteil. Wie weit sich meine Berufstätigkeit international entwickelt, wird sich zeigen.

ARCHITEKTUR
Wie transformiert Ihr diese Themen in Architektur? Arbeitet Ihr gleichsam an architektonischen Untersuchungen, forscht projektweise?

Der Entwurf geschieht meist intuitiv, wobei Denk- und Produktionsprozesse ineinander übergehen und letztendlich zum ausgearbeiteten Projekt führen. Im Zuge der Vergrösserung meines Büros und der damit verbundenen Integration von Mitarbeitern in den Entwurfsprozess, strebe ich nun eine stärkere Systematisierung dieser Prozesse an. Dennoch ist und bleibt Architektur für mich stark subjektiv geprägt.

Grundsätzlich betrachte ich jedes Projekt als eigentliche Forschungsarbeit, bei welcher spezifische Themen untersucht werden. In der Summe betrachtet dienen diese Arbeiten dazu, die eigenen Überlegungen zu relativieren und zu manifestieren. Darüber hinaus habe ich thematisch gegliederte Forschungsprojekte gedanklich formuliert, welche ich zukünftig in meinem Büro betreiben möchte. Eines davon betrifft das Tageslicht und basiert vor allem auf Louis Kahns Umgang damit. Ein weiteres Forschungsprojekt geht von den frühen Arbeiten Hans Holleins aus und behandelt den Aspekt des Massstabs.

Während meiner Studiums- und bisherigen Berufstätigkeit habe ich in verschiedenen Städten – nebst anderen in Rotterdam, Berlin, New York und Wien – gelebt, gearbeitet und vor der Gründung des eigenen Büros im Sinne einer Grand Tour eine mehrmonatige Studienreise in die Länder Iran, Ägypten und Türkei unternommen. Derzeit wird das erste konkrete Bauvorhaben, die Erweiterung des Schulzentrums Fagen in Bozen realisiert. Diese Auseinandersetzung mit anderen Ländern und Städten bedeuten für mich eine kontinuierliche, zeitlich und geografisch nicht limitierte Forschungstätigkeit.

Was interessiert Euch an Architektur? Wie würdet Ihr Eure Architektur beschreiben? Was wollt Ihr mit Eurer Architektur erreichen?

Mit meiner Architektur versuche ich Orte zu prägen, indem ich diese weiterbaue. Damit verbunden ist die Suche nach Baukörpern, deren Körperlichkeit und Beständigkeit als unmittelbarer Ausdruck aus den zugrunde liegenden Bedingungen und Intentionen hervorgehen.

SELBSTVERSTÄNDNIS
Wie seht Ihr Eure Rolle als Architekten in der Gesellschaft? Welche Kompetenzen und welche Verantwortung liegen Eurer Meinung nach bei den Architekten? Welche nehmt Ihr wahr, auf welchen beharrt Ihr?

Da der Architekt die Welt baulich prägt, trägt dieser gegenüber der Gesellschaft eine dementsprechende Verantwortung. Seine Bauten sind Zeitzeugen und Vermächtnis zugleich. Beim Projekt für den ETH Neubau an städtebaulich relevanter Lage sowie in unmittelbarer Nähe zu Bauten von Gottfried Semper, Gustav Gull oder Otto Rudolf Salvisberg ist diese Verantwortung evident. Diese Verantwortung in aller Konsequenz wahrzunehmen, darin sehe ich den Anspruch an meine Tätigkeit als Architekt.

INSPIRATION
Was inspiriert Eure Arbeit? Welches sind Eure Lieblingsbauten, Euer Lieblingsfilm, Euer Lieblingsbuch? Eine Bauaufgabe wäre frei, was wäre Euer Lieblingsprojekt?

Alles birgt für mich grundsätzlich Inspirierendes in sich, welches im Sinne einer Sedimentation dem persönlichen Erfahrungsschatz zugeführt wird und sich letztendlich in der Architektur widerspiegelt. Die Schwierigkeit besteht darin, die dafür notwendige Sensibilität zu entwickeln.

Anstelle einer Aufreihung von Lieblingsbau, -film und -buch möchte ich meinen Lieblingsort vorstellen. Es ist dies die im Appenzellerland gelegene und zum Alpsteinmassiv gehörende Ebenalp. Diese ist von Wasserauen mit der Luftseilbahn erreichbar. Oben angekommen, gelangt man nach einer kurzen Wanderung von der Bergstation durch die Wildkirchlihöhle, entlang der St.Michaels Kappelle zum Restaurant Aescher. Von der freien Landschaft über die in den Fels erodierte Höhle bis zum an den Fels gebauten Haus zeigt sich hier eine Unmittelbarkeit von Natur und Architektur, welche für mich an räumlicher und atmosphärischer Intensität einzigartig ist.

Das aktuelle Projekt für den Neubau LEE der ETH Zürich ist derzeit mein Lieblingsprojekt. Eine frei wählbare Aufgabe könnte für mich kaum spannender sein.

Fawad Kazi, Was wird sein? – Gedanken zur Architektur der Zukunft, Ausstellungskatalog, Hg. Architekturforum Zürich, 2008, S. 67-72

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